Landwirtschaft und Ländlicher Raum

Seit meinem Studium zum Diplom-Ingenieur (Landbau), das ich 1976 abgeschlossen habe, führe ich als selbstständiger Landwirt meinen Milchviehbetrieb in Nortorf bei Wilster.Von 1999-2014 war ich Mitglied im Bundesvorstand der AbL (Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft) und seit 2004 Mitglied im Bundesvorstand des Agrarbündnis e.V. In diesen Funktionen konnte und kann ich maßgeblich an der gemeinsamen Positionierung der fortschrittlichen Verbände aus Umwelt, Agrar, Verbraucher, Gewerkschaften und Entwicklung zur Zukunft der europäischen Agrarpolitik, der Entwicklungs- und der Verbraucherpolitik mitwirken. Meine aktuellsten Beiträge zu den beiden Themen findet ihr hier, alles andere ist nach Jahrgängen geordnet dahinter.

Unabhängigen Zugang zu präzisen Geoinformationen sicherstellen

Sehr geehrte Damen und Herren,

Liebe Kolleg*innen,

Landwirtschaft ist einer der am meisten digitalisiertesten Wirtschaftsbereiche. Der Einsatz von IT in der Landwirtschaft ist sowohl im Pflanzenbau als auch in der Tierhaltung längst gang und gäbe. Transponder und Fütterungsautomaten, automatische Klimaführungssysteme, Sensoren zur Tierbeobachtung und Melkroboter mit Datenerfassung erleichtern dem Landwirt oder der Landwirtin die Arbeit im Stall. Wetterapps und GPS-Daten unterstützen die Feldarbeit, elektronische Schlagkarteien erleichtern die Übersicht im Büro. Und was wäre so manche ausgeklügelte Direktvermarktung ohne die Hilfen aus der digitalen Welt.

In der Tat hat die Ausstattung mit digitalen Präzisionssystemen einen weiteren Nutzen für die Landwirtschaft: Mit der Verfügbarkeit von entsprechenden Satellitensignalen, um die es in dem vorliegenden Antrag geht, lassen sich verschiedene effiziente Anwendungsbereiche erschließen. Die Kollegen haben bereits die Beispiele gebracht.

Bei aller Freude über den technischen Fortschritt möchte ich auf drei Dinge hinweisen, auf die wir in der Debatte um die Digitalisierung in der Landwirtschaft ein Augenmerk legen müssen:

  • Digitalisierung bedeutet nicht automatisch „Ökologisierung“ oder „Sicherung der Welternährung“, wie das von einigen Interessenvertretungen gerne suggeriert wird. Ich plädiere dafür, in dieser Frage bodenständig zu bleiben und die Effizienzgewinne als das zu betrachten was sie sind. Effizienzgewinne liegen nach bisherigen Schätzungen bisher überwiegend im einstelligen Prozentbereich. Letztendlich können die Betriebsleiter*innen den Aufwand und Nutzen am besten abwägen und sollten auch stärker bei der Bedarfsermittlung und Entwicklung einbezogen werden.

  • Der zentrale betriebliche Erfolgsfaktor in der gesamten Geschichte der Landwirtschaft ist die Beobachtungsgabe und lokale Entscheidungsfähigkeit der Bauern und Bäuer*innen. Erfahrungswissen leitet Entscheidungen auf dem Feld, den Umgang mit den Tieren sowie im Bereich Investition und Management. Beobachtungswissen (tacid knowledge) in den Köpfen möglichst vieler Bäuer*innen ist daher unverzichtbare Basis der nachhaltigen Sicherung der Ernährung. Satellitendaten und Algorithmen können dieses Wissen ergänzen, aber nicht ersetzen.

  • Ein wichtiger Aspekt ist die Wahlfreiheit und Entscheidungshoheit der Landwirt*innen im Zuge der Digitalisierung. Expert*innen gehen davon aus, dass sich im Wettrennen um „Full-Service-Angebote“ die vertikale Integration und Konzentration der Unternehmen im vorgelagerten Bereich verstärken wird.

Weltweit agierende Unternehmen haben bereits die Chance der Digitalisierung erkannt und möchten sich auf dem Markt einflussreich in Stellung bringen. Der Markt wird auf 240 Milliarden US-Dollar geschätzt. Nach der Übernahme des kanadischen Geodienstleisters Zoner (mit dessen Software können Satellitenbilder landwirtschaftlicher Flächen aus den letzten 30 Jahren analysiert werden) und mit der mittelständischen Firma Proplant aus Münster bietet Bayer Digital Farming ein umfangreiches Programm zur Datenauswertung und Pflanzenschutzberatung an.

Die technische Umsetzung erfolgt in Zusammenarbeit mit dem Landmaschinenhersteller Claas. Claas wiederum diskutiert mit Google über eine mögliche Zusammenarbeit. Auch Monsanto hat sich mit dem Unternehmen The Climate Corporation auf dem Markt für digitale Feld- und Bestandsanalysen erfolgreich etabliert. Sie arbeitet in der Landtechnik mit John Deere und der weltweiten Nummer drei bei den Landmaschinenherstellern, der US Firma AGCO, zusammen.

Als im November 2015 bekannt wurde, dass John Deere die Monsantotochter Precision Planting LLC übernehmen wollte, hat das US-Justizministerium diese Übernahmepläne im September 2016 gestoppt. Der Grund: 86 Prozent des Marktes für „high speed precision planting“ lägen im Falle einer Fusion in nur einer Hand.

Die Strategie hinter den Zusammenschlüssen der Saatgut-, Agrochemie- und Technikunternehmen ist, das Produktportfolio zu verbreitern und sich eine möglichst starke weltweite Monopolstellung zu erarbeiten. Die Übernahmebemühungen von Monsanto durch Bayer mit Summen von 66 Milliarden US-Dollar sind insbesondere dem Streben nach Marktmacht in der Digitalisierung von Land- und Ernährungswirtschaft im Verbund mit Landmaschinen, Saatzucht und Pflanzenschutzindustrie geschuldet. Hier stellen sich entscheidende Fragen zu Macht und Manipulation durch weltweite Monopolbildungen in der Landwirtschaft. Und das Risiko des Verlustes von vielfältigem Innovationspotential.

  • Spätestens wenn die Kompatibilität von Datensystemen endet oder Unternehmenskooperationen die ganze Dienstleistungskette von der Landtechnik, Saatgut, Pflanzenschutz und Beratung abdecken, werden Wahlfreiheit, Entscheidungshoheit und individuelle standortangepasste Betriebsentwicklung eingeschränkt.

  • Auf die Fragen des Datenschutzes und Besitzes der Daten will ich an dieser Stelle nur hinweisen.

  • Das zentrale Anliegen in diesem Projekt besteht darin, die Unabhängigkeit der landwirtschaftlichen Betrieben bei uns gegenüber Dienstleistern mit wachsender Monopolstellung zu verringern und einen fairen Wettbewerb zu ermöglichen.

  • Mit dem Angebot eines kostengünstigen aber auch kostendeckenden Zugangs zu Satellitendaten aus öffentlicher Hand möchten wir die Unabhängigkeit der Landwirt*innen gegenüber entsprechenden Dienstleistungsunternehmen stärken und die Voraussetzungen für einen fairen Wettbewerb für kleine und mittelständische Anbieter und vielseitige Angebote schaffen.

Mit der Digitalisierung und dem Smart, beziehungsweise Precision Farming werden nicht die grundsätzlichen Fehlentwicklungen in der Agrarpolitik und ihre Auswirkungen auf die Umwelt korrigiert, geschweige denn aufgehoben. Auch wenn ökologisch sowie sozial viel Gewinnbringendes bei der Digitalisierung der Landwirtschaft seit Jahren erlebbar ist, werden die ökonomischen und politischen Rahmenbedingungen maßgeblich bleiben.

Auch für Landwirtschaft 4.0 gilt: Ohne eine Agrarwende könnte es das Träumen einer digitalen Fata Morgana bleiben.

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