Gentechnikfrei – weil sich auf dem Acker nicht alles programmieren lässt

Zur Veranstaltung „CRISPR-Cas aus Sicht der Landwirtschaft, Natur/Umwelt, Verbraucher“ des BNUR (Bildungszentrum für Natur, Umwelt und ländliche Räume) sagt der agrarpolitische Sprecher der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Bernd Voß (13. März 2018):

Neue Gentechnikverfahren, wie CRISPR/CAs und ODM (oder ein anderes) sind sogenannte Genom Editing-Verfahren und lösen einen Hype aus … Völlig unklar und nicht untersucht sind bislang die Risiken. Deshalb müssen die neuen Gentechnik-Verfahren als Gentechnik eingestuft werden, nur so gibt es überhaupt eine Risikobewertung, ein Zulassungsverfahren, eine Kennzeichnungspflicht und Rückverfolgbarkeit. Nur so können wir den Ansprüchen des in der EU geregelten Vorsorgeprinzips gerecht werden.

Derzeit ist für die EU-Kommission noch unklar, ob diese neuen Techniken als Gentechnik im Sinne der EU-Freisetzungsrichtlinie gelten. Die gentechnik-Industrie plädiert für nicht regulieren. Dabei ist rechtlich klar, und das bestätigen auch 2 Rechtsgutachten, unter anderem das vom Bundesamt für Naturschutz, dass die neuen Gentechnikverfahren unter den Anwendungsbereich der EU-Richtlinie fallen und als Gentechnik einzustufen und zu regulieren sind. Zum Schutz von Umwelt, Landwirtschaft, Lebensmittelerzeugung und Verbraucher*innen vor unerwünschten Einträgen halte ich eine Risikobewertung, ein geordnetes Zulassungsverfahren und eine Kennzeichnungspflicht für unabdingbar. Kritisch sehe ich die mit den neuen Verfahren absehbare zunehmende Patentierung von auf diese Weise erzeugten Pflanzen. Dadurch erhöht sich die Abhängigkeit der Landwirtschaft von Saatgutunternehmen.

Das Landwirte- und Züchterprivileg, das bei konventionellen Pflanzen im Sortenschutzrecht verankert ist, würde ausgehöhlt. Gerne wird behauptet, die neuen Techniken seien „Sicher“. Dies zu behaupten, obwohl es keinerlei fundierte unabhängige Studien dazu gibt, ist unseriös. Deshalb braucht es zunächst eine Risikobewertung und ein Zulassungsverfahren, Europa soll entscheiden, ob es die neuen Genom Editing Pflanzen auf seinem Acker und Teller haben will oder nicht. Zum Schutz des gentechnikfreien Anbaus, egal ob konventionell oder ökologisch, muss Saatgut eindeutig gekennzeichnet werden und die Entwickler müssen ihrer Pflicht ein Nachweisverfahren zu liefern, nachkommen. Vor allem darf nichts freigesetzt werden, da einmal in die Umwelt ausgebrachte Organismen nicht mehr rückholbar sind. Es muss klare und am Verursacherprinzip orientierte Haftungsregelungen geben.

Europa ist bei der alten Gentechnik gut damit gefahren, dem Vorsorgeprinzip einen großen Stellenwert in ihrer Gentechnik-Regulierung einzuräumen. Dem sollte Europa auch zukünftig gerecht werden und die neuen Techniken als Gentechnik regulieren.

Hintergrund:

In den vergangenen Jahren wurden neue molekularbiologische Techniken zur Veränderung von Pflanzeneigenschaften entwickelt. Es wird darum gestritten, ob die daraus gewonnenen Organismen rechtlich als “genetisch verändert“ eingestuft werden oder nicht. Das ist aber entscheidend dafür, ob Pflanzen das Gentechnik-Zulassungsverfahren durchlaufen und als gentechnisch verändert gekennzeichnet werden müssen.

 

Bei Genom Editing handelt es sich um folgende Techniken:

– Oligonukleotid-gesteuerte Mutagenese (ODM)

– Zinkfinger-Nukleasen (ZFN )

– TALEN

– CRISPR

Diese neuen Techniken können mittels einer sog. „Gen-Schere“ den DNA-Doppelstrang schneiden. Hier können entweder Basenpaare verändert werden oder aber Genabschnitte eingebaut oder stillgelegt werden. Die Techniken können mehrfach hintereinander und in Kombination angewendet werden. Mit den Genom Editing Verfahren können weitreichende Veränderungen am Erbgut vorgenommen werden. Es gibt einige Studien, die auf unterschiedliche Nichtzieleffekte hinweisen, die zeigen, dass die neuen Techniken keineswegs so „präzise“ sind, wie gerne behauptet.

Wir Grüne ordnen die neuen Gentechnikverfahren klar als Gentechnik im Sinne der EU-Freisetzungsrichtlinie 2001/18 EG ein. Wir teilen hier die Auffassung von Prof. Krämer, EU-Rechtsexperte und Prof. Spranger, BfN aus Deutschland. Das Vorsorgeprinzip ist unbedingt anzuwenden.

Da die neuen Techniken Organismen hervorbringen, die patentrechtlich geschützt werden können, würden Züchter und Landwirte zusätzlich der Möglichkeit beraubt, das Saatgut wie gehabt weiterentwickeln zu können. Das Landwirte- und Züchterprivileg, das bei konventionellen Pflanzen im Sortenschutzrecht verankert ist, würde ausgehöhlt. Für die gentechnikfreie Landwirtschaft und Lebensmittelerzeugung ist die Transparenz über den Einsatz der Technologien, die Lieferung eines Nachweisverfahrens und eine entsprechende Pflichtkennzeichnung essentiell, auch im Hinblick auf die gentechnikfreie Züchtung. Im Ökolandbau ist die Gentechnik verboten.

Wir fordern:

– Keine Gentechnik ohne Regulierung: Neue Gentechnikverfahren müssen genauso wie bisherige Gentechnikverfahren reguliert werden. Innerhalb des Regulierungsverfahrens muss eine Risikobewertung zwingend vorgeschrieben sein, genauso wie ein europaweites Zulassungsverfahren. Für nicht zugelassene neue GVO gilt Nulltoleranz.

– Gentechnikfreiheit des Saatgutes muss aufrechterhalten bleiben: Sobald Verunreinigungen im Saatgut auftreten, darf dies nicht Inverkehr gebracht werden, Flächen auf denen verunreinigtes Saatgut ausgebracht wurde müssen umgebrochen werden und es muss sichergestellt werden, das das Saatgut nicht keimt.

– Wo Gentechnik drin ist, muss auch Gentechnik drauf stehen: Der mehrheitliche Verbraucherwille in der EU nach Gentechnikfreiheit der Lebensmittel ist zu respektieren. Die EU-Kommission muss jetzt dafür Sorge tragen, dass alle gentechnischen Verfahren dem Gentechnikrecht zugeordnet und dementsprechend reguliert und gekennzeichnet werden. Zudem müssen die Entwickler ein Nachweisverfahren liefern, damit eine Rückverfolgbarkeit und Monitoring möglich wird.

– Gentechnikfreien Anbau schützen: Für den Schutz des konventionellen, gentechnikfreien und ökologischen Landbaus muss – sollte sich die EU für die Zulassung neuer Gentechnik Organismen entscheiden – oder für Freisetzungsversuche – das Standortregister (in verbesserter Form) geführt werden. Die Informationen müssen zugänglich sein. Haftungsregelungen sind entsprechend so zu gestalten, dass alle entstehenden Mehrkosten und der Mehraufwand, der für den konventionellen, gentechnikfreien und ökologischen Landbau entsteht, die Nutzer von Sorten, die mit neuer Gentechnik hergestellt wurden, getragen werden.

– Keine Patente auf Pflanzen: Dieses Gebot ist von der neuen Bundesregierung wirksam umzusetzen.

– Diese Züchtungstechniken sind unnötig: Wir fordern die Förderung der Forschung zu robusten lokalen Sorten, Mischkulturen und Synergieeffekten innerhalb von Agrarökosystemen. Diese wäre besser geeignet, um den aktuellen und zukünftigen Herausforderungen an eine nachhaltige Landwirtschaft zu begegnen würde deutlich bessere und umfassendere Lösungen für aktuelle Probleme bringen.

– Keine undemokratischen Entscheidungen: Die Grünen werden sich dafür einsetzen, dass das die zuständigen Parlamente bei dieser Entscheidung angemessen beteiligt und gehört wird. Das Mindeste ist, dass es ein Zulassungsverfahren gibt. Die neuen gentechnik-Pflanzen einfach so in die Natur zu entlassen, ist undemokratisch.

Das Gutachten des BfN ist hier bfn.de/fileadmin/BfN/agrogentechnik/Dokumente/Legal_analysis_of_genome_editing_technologies.pdf nachzulesen (ab S. 49 deutschsprachige Zusammenfassung).



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